Was sagt eine Tierärztin zum Thema Barfen?

Das Barfen hat nicht nur Freunde, sondern auch viele Kritiker. Diese warnen vor Mangelerscheinungen, Knochenkot und Parasiten. Wir wollten es genau wissen: Was ist dran an den Gerüchten? Welche Chancen und Risiken sieht ein Experte im Barfen? Wir haben die Tierärztin Dr. Bader-Mechler zum Thema Barf interviewt.

Dr. Bader-Mechler

Dr. Bader-Mechler ist Inhaberin einer Kleintierpraxis in München

Das Barfen wird sowohl auf den Hundewiesen als auch in den Medien immer bedeutender. Die Suchanfragen bei Google für den Begriff „Barfen“ steigen kontinuierlich. Bemerken auch Sie diesen Trend in Ihrer Tierarztpraxis?

Ich kann diesen Trend ebenfalls in meiner tierärztlichen Tätigkeit wahrnehmen. Die Tierbesitzer machen sich in der heutigen Zeit sehr viele Gedanken um die Ernährung ihrer Lieblinge. Wir Tierärzte beschäftigen uns auch schon seit längerem mit diesem Fütterungstrend.

Werden Sie in Ihrer Praxis bereits auf das Barfen angesprochen?

Mir ist seit einiger Zeit schon aufgefallen, dass sich die Tierbesitzer immer häufiger nach alternativen Fütterungsmethoden erkundigen. Dabei wird auch vermehrt das Barfen angesprochen. Jedoch habe ich oft den Eindruck, dass den Besitzern die Komplexität dieser Thematik anfangs nicht bewusst ist. Aber die Bereitschaft vom „Dosenöffner“ zu dem interessierten und kritisch nachfragenden Verbraucher zu wechseln ist deutlich spürbar.

Dr. bader-mechler mit Hund Rocky

Dr. Bader-Mechler behandelt in ihrer Tierarztpraxis nicht nur Hunde und Katzen, sondern berät deren Besitzer auch über eine artgerechte Fütterung.

Katzen sind reine Carnivoren, trotzdem bestehen viele Fertigfutter zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Getreide. Wie stehen Sie dazu?

Dieser Umstand gefällt mir aus tiermedizinischer Sicht natürlich nicht, da ein zu hoher Getreideanteil sich auch negativ auf die Gesundheit der Katze auswirken kann. Allerdings kommt es immer auf die relative Menge an, bezogen auf den Gesamtgehalt des Getreides in einem Futtermittel.

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Getreide ist generell nicht schlecht und enthält auch wichtige Spurenelemente, die zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen können. Die Katze ist nach einer entsprechenden Vorbehandlung des Getreides durchaus in der Lage, die wertvollen Inhaltsstoffe zu verwerten. Stellen sie sich die Verwertung einer gefangenen Maus durch die Katze vor, in deren Magen sich auch vorverdautes Getreide befindet.

So kommt auch die wildlebende Katze zu etwas Getreide. Aber wie gesagt: Die Menge ist entscheidend. Und die Tatsache, dass Katzen Getreide nicht unbedingt brauchen, sollte die Tierbesitzer bei der Futterauswahl sensibilisieren.

katze mit Fleisch

Katzen sind Carnivoren, weswegen der Hauptbestandteil ihrer Mahlzeit aus Fleisch bestehen sollte.

Welche Chancen birgt das Barfen für Sie?

Wird das Barfen durch den Tierbesitzer gewissenhaft praktiziert, können sich für bestimmte Krankheitsbilder neue therapeutische Ansätze eröffnen. Besteht der Verdacht oder das Vorliegen einer Futtermittelallergie, hat der Tierbesitzer beim Barfen die Kontrolle über alle verfütterten Futtermittel.

Es spielt jedoch meiner Meinung nach keine Rolle, ob das Futter roh oder gekocht verfüttert wird. Das Barfen kann auch durch den erhöhten Kauaufwand positiv zur Zahnpflege beitragen.

Abschließend sei erwähnt, dass der Tierbesitzer mit der Auswahl der Rationsprodukte (regionale Produkte, Fleisch aus artgerechter Tierhaltung) auch Einfluss als Verbraucher nehmen kann.

Kühe auf der Alm

Barfer können selbst entscheiden, woher sie das Fleisch beziehen. Zum Beispiel, ob sie Fleisch aus artgerechter Tierhaltung füttern wollen.

Erkennen Sie auch Gefahren beim Barfen?

Es ist sehr wichtig, dass jeder potenzielle Barfer sich nachhaltig mit der Materie beschäftigt und sich gegenwärtig auch den Gefahren bewusst ist. Es besteht eine ernstzunehmende Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern, weshalb bei der Zubereitung einer Barf-Ration strikte hygienische Regeln eingehalten werden müssen.

Zudem besteht eine Verletzungsgefahr an Zähnen und dem Magen-Darmtrakt durch falsche Knochenfütterung, worüber ich als Tierarzt meine Patientenbesitzer aufkläre. Nicht zu verachten sind auch mögliche Verstopfungen, die durch Knochenkot entstehen können.

Was mir jedoch am meisten am Herzen liegt, ist eine Warnung bezüglich etwaiger Fütterungsfehler auszusprechen. Ich werde in meiner Praxis auch mit Krankheitsbildern konfrontiert, deren Ursache ein Nährstoffmangel oder eine Nährstoffüberversorgung sind. Dies passiert oft bei einer falschen Zusammensetzung der Futterration, die über einen längeren Zeitraum gefüttert wird.

Hund beim Tierarzt

Wer gekochte Knochen füttert, riskiert Verletzungen der Maulschleimhaut . Das ist eine der Gefahren, vor der die Tierärztin in Beratungsgesprächen warnt.

Viele Besitzer entscheiden sich für das Barfen, weil sie vom Fertigfutter enttäuscht sind oder ihre Haustiere die herkömmlichen Futter nicht vertragen. Hatten auch Sie bereits solche Fälle in Ihrer Praxis?

Wie schon erwähnt, sehe ich gute Chancen, die Lebensqualität bei Tieren mit Futtermittelallergien und Unverträglichkeiten durch eine bewusste Fütterung zu verbessern. Ich führe in meinem Praxisalltag oft Futterberatungsgespräche, wobei auch das Barfen mit seinen Chancen und Gefahren erörtert wird.

Es ist nicht immer ganz einfach, Katzen, die jahrelang Fertigfutter gefressen haben, an rohes Fleisch zu gewöhnen. Haben Sie Tipps für Einsteiger, wie die Umstellung klappen kann?

Generell sollte der Tierbesitzer darauf achten, die Umstellung auf die Rohfütterung schrittweise durchzuführen. Das Fleisch kann zu Beginn in sehr kleinen Stücken unter das gewohnte Futter gemischt werden. Anschließend kann die Menge des Fleisches dann kontinuierlich gesteigert werden. Auch das Beträufeln mit einer „Futterpaste“ kann die Akzeptanz steigern.

Anfangs ist es empfehlenswert, das Fleisch leicht überbrüht oder kurz angebraten den Katzen anzubieten. Grundsätzlich sollten Sie ihre Katze entscheiden lassen, ob das Barfen als Fütterungsalternative geeignet ist.

Katzen fressen

Um Katzen auf Barf umzustellen, benötigt es manchmal etwas Geduld. Es kann hilfreich sein, nur nach und nach das rohe Fleisch unter das bekannte Futter zu mischen.

Gibt es gesundheitliche Aspekte, die für oder gegen eine Barf-Fütterung sprechen?

Generell müssen die Barfrationen immer individuell an das Tier angepasst werden. Hierfür spielen das Alter sowie der Gesundheitszustand eine wichtige Rolle. Bei chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Adipositas, Diabetes oder Allergien können die Barf-Rationen individuell angepasst werden.

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Es gibt jedoch auch Erkrankungen, die sich meiner Meinung nach mit einer reinen Barf-Fütterung nicht vereinbaren lassen. Zu diesen Krankheiten gehören die chronische Niereninsuffizienz und Tiere mit Harnsteinen. Zögern sie jedoch nicht, Ihren Tierarzt auf eine alternative Fütterung bei diesen Krankheiten anzusprechen.

 

dicker Hund

Für übergewichtige Hunde sieht Dr. Bader-Mechler eine Chance in einer durchdachten Barf-Ration

Auf was sollten barfende Katzenbesitzer unbedingt achten?

Das Wichtigste ist stets, die Gefahr sowohl eines Mangels als auch einer Überversorgung mit Nährstoffen bei einer Rationszusammenstellung im Auge zu behalten. Es ist möglich, durch individuelle Rationsberechnungen diesem Umstand vorzubeugen. Scheuen sie sich nicht, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn nur eine bilanzierte Rationszusammenstellung rechtfertigt eine artgerechte Fütterung.

Wir danken Frau Dr. Bader-Mechler für das Interview.

 

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